Generationsbrücke
„Mit dem Schrei rannten alle weg, auch der Geschützführer, vorne waren zwei Luftwaffenhelfer und ein alter Obergefreiter, die sprangen sofort weg. Und der alte Obergefreite wollte also noch diese Stange herausholen. Und dann krachte es. Und wir haben ungefähr vier Tage den Kopf gesucht, und haben den nicht gefunden.“ Diese Wörter kommen ohne Emphase aus dem Mund eines Dreißigjährigen, der wie du und ich angezogen ist und auf der Bühne steht. Mit diesen Inszenierungsmitteln ermöglicht Sonya Schönberger eine direkte Verbindung mit der älteren Generation. Nur ein kleiner Teil einer größeren Recherche, die unter www.sonyaschoenberger.de zu finden ist. (nf)
Sonya Schönberger : Nix zu reißen und zu beißen
Mit: Franziska Dick, Cathrin Romeis, Helge Gutbrod
Verzeihung, aber ich bin sehr wütend geworden als ich diesen Beitrag gesehen habe: mal abgesehen vom ästhetischen Konzept dass meinen Geschmack nicht trifft, weil in der Form schon hunderte Mal auf hunderten Bühnen mit dokumentarischem Material verfahren worden ist, wird hier in jammernder Betroffenheit mit einem Thema umgegangen das, wie wir ja alle wissen, doch etwas komplexer ist. Ich unterstelle hier keinen Versuch die Täter/Opfer-Konstellation umzukehren, aber im Zusammenhang mit Opfern des zweiten Weltkrieges auf deutscher Seite muss doch bitte differenzierter umgegangen werden. Wenn man dazu nicht in der Lage ist, möchte man doch die Finger lassen von so „heiklen“ Themen. Ich war richtiggehend angewidert von der Darstellung der Texte: zittrige Stimmchen, fahrige Bewegungen, große Klimperaugen. Die Opferzahlen des zweiten Weltkrieges schwanken, je nach Quelle zwischen 50 und 70 Millionen und ganz naiv gefragt: wer hat denn angefangen… Das weiß aber doch jeder. Das haben wir doch alle gelernt in der Schule. Warum also dieser undifferenzierte Beitrag? Und in Zeiten von Omnipräsens der Zwickauer Zelle. Intelligente Schauspieler und eine intelligente Regisseurin lassen unreflektierte Texte von Kriegskindern sprechen. Und das in einer derart mitgefühlsheischenden Art das man gerne SECHS MILLIONEN schreien möchte. Lasst euch diese Zahl auf der Zunge zergehen! Das sind ziemlich viele Nullen.
Das war eine echte Unverschämtheit gestern abend.
Erika
Liebe Erika,
wir als Redaktion wissen deine Meinung zu schätzen. Leider ist es uns bei einer 100-Wort umfassenden Rezension nicht möglich alle Seiten abzubilden und uns fällt es auch enorm schwer uns dann immer für eine ganz konkrete Meinung zu entscheiden. So wie dir, ging es sicher vielen und ich glaube auch, dass die Künstler, die bei 100° auftreten, alle in der Experimentationsphase stecken. Das Thema ist wirklich sehr komplex, gerade deswegen mag das Stück auch nur einen Teil abgebildet haben. Die Art und Weise dies zu tun, ist Geschmackssache und unterliegt der kreativen Freiheit. Vielleicht ist gerade die Apathie und diese fahrigen Bewegungen ein Teil dessen, was die Regisseurin einfangen wollte um Machtlosigkeit im Angesichte dessen was passierte, auszudrücken. Diskussionsbedarf gibt es immer und es ist schön, dass du deine Meinung mit uns teilst. Die Runde der Wortgefechte ist nun eröffnet! 🙂
(ail)
Liebe Redaktion.
(Betr. Kommentar von Erika)
Wenn ein Beitrag beim Festival bei einem Besucher solche Emotionen hervorruft dann ist das sehr lobenswert. Dann hat aus meiner Sicht Theater/Performance oder Kunst das wichtigste geschafft.
Mir und meinen höchst geistreichen Freunden hat der Beitrag von Frau Schönberger sehr gut gefallen. Vielleicht konnten wir einfach differenzieren.
„Sech Millionen“ in diesem Zusammenhang so zu erwähnen ist für mich die eigentliche Unreflektiertheit.
gruß, M
Liebe Redaktion.
(Betr. Kommentar von Erika)
Wenn ein Beitrag beim Festival bei einem Besucher solche Emotionen hervorruft dann ist das sehr lobenswert. Dann hat aus meiner Sicht Theater/Performance oder Kunst das wichtigste geschafft.
Mir und meinen höchst geistreichen Freunden hat der Beitrag von Frau Schönberger sehr gut gefallen. Vielleicht konnten wir einfach differenzieren.
„Sech Millionen“ in diesem Zusammenhang so zu erwähnen ist für mich die eigentliche Unreflektiertheit.
gruß, M
Ich habe bei der Arbeit von Sonya Schönberger mitgespielt und habe zwei Fragen, die erste an Erika: Du schreibst, dass dir das ästhetische Konzept nicht gefällt, weil „in der Form schon hunderte Mal auf hunderten Bühnen mit dokumentarischem Material verfahren worden ist“. Heisst das, du findest grundsätzlich alles schlecht, was es schon oft gab? Meine zweite Frage geht an die Redaktion: Habt ihr den Beitrag gesehen und danach mit dem Publikum gesprochen, weil ihr schreibt: „So wie dir, ging es sicher vielen“. Woher wisst ihr das? Unser Eindruck war nämlich im Gespräch mit den Leuten der, dass sehr viele eher der Meinung von Monika waren.
Herzliche Grüße
Cathrin